Kurzpredigt zum Evangelium

Was ist der Unterschied zwischen einem Gebet im Spielcasino und in der Kirche? –

Im Casino meint man es ehrlich.

 

Der Witz ist die moderne Form des alten Sprichworts: Not lehrt beten.

Aber ist es so? Lehrt Not alleine beten? Richtig ist: Selbst viele Atheisten bitten in Notlagen ein „höheres Wesen“ um Hilfe, dessen Existenz sie eigentlich bestreiten. Aber ist dieser Angstschrei allein schon ein Gebet? Wenn die „Notbeter“ anschließend über ihre Erfahrungen berichten, sagen sie sehr Unterschiedliches: „Ich habe gemerkt, da ist etwas!“ Sie haben also erlebt: „Ich habe kein Selbstgespräch geführt“ – aber wer ihr Gesprächspartner, dieses „Etwas“ war, können sie nicht in Worte fassen.

Andere berichten: „Ich habe gebetet, aber es hat nichts genützt!“ Sie meinen: ‚Ich hab‘ gebetet: Lass mich beim Roulette gewinnen, trotzdem hab‘ ich verloren. Da siehst du: Beten taugt nix!‘

Sie fühlen sich in ihrem grundsätzlichen ‚Nein‘ zum Gebet (oder gar zu Gott) bestätigt – dabei haben sie eigentlich eine sehr wichtige Erfahrung gemacht: Gott ist nicht der Geist aus Aladdins Wunderlampe, dem der Mensch Befehle erteilt, sondern der Herr der Welt. Und ein Gebet ist keine magische Beschwörung, sondern eine Bitte, vorgetragen in der Überzeugung: DEIN Wille, Gott, geschehe.

Viele Menschen – nicht nur glaubenslose, sondern auch Christen! -machen in einer Notlage die erschreckende Erfahrung: „Ich würde gerne beten, aber ich weiß nicht wie.“ Die Not hat in ihnen den Wunsch geweckt, zu beten, aber die Not hat sie nicht gelehrt, wie beten geht. Und – so müssen wir ergänzen – auch sonst niemand!

 

Die Epistel stellt uns vier wesentliche Formen des Betens vor – wir richten heute aber mit dem Evangelium den Blick speziell auf das freie Bittgebet. Frei bedeutet: Wir greifen nicht auf ein überliefertes Gebet zurück – etwa das Vaterunser -, sondern bitten Gott in unseren eigenen Worten wegen unserer eigenen Sorgen um seinen Beistand für uns. 

 

Jesus spricht – wohlgemerkt wenn es um das freie Beten geht! – zu allererst vom Reden Gottes. Erst redet Gott, dann redet der Mensch!

Zugespitzt gesagt: Nur wenn wir HÖREN, lernen wir SPRECHEN. Machen wir uns das mit einem einfachen Vergleich klar: Ein Kleinkind hat voll entwickelte Stimmbänder – trotzdem kann es nicht sprechen. Sprechen lernt es durch die Eltern! Sie zeigen ihm, wer Mama und Papa ist – und bringen ihm die Worte bei. Später lernt das Kind zu sagen, wer es selber ist – dabei benutzt es erstmal den Vornamen, mit dem es von den Eltern es gerufen wird. (Manchmal „verballhornt“ das Kind den eigenen Namen auf so niedliche Weise, dass es ein Leben lang damit aufgezogen wird.) Schon früh lernt das Kind auch, die eigenen Bedürfnisse auszusprechen: „Essen“, „Hunger“ – oder auch nur einfach: „Eis“!

 

Auch wir Kinder Gottes müssen sprechen lernen. Das beginnt schon mit dem allereinfachsten und doch allerschwersten Wort: Gott. Wer ist Gott? Gott ist nicht einfach ein „Etwas“ – sei es ein höheres Wesen oder eine Energie, die das All durchströmt – nein, Gott ist der liebe Vater! Er ist der Abba, der Papa, dem ich mich jauchzend in die offenen Arme werfen darf! Jesus lässt sein Angesicht über uns leuchten – so wie die Mutter, wenn sie sich über die Wiege des Kindes beugt – und lehrt uns sagen: „Abba! – Papa! – Vater im Himmel! – Gott!“ Wir lernen Gott durch Jesus kennen und ihn ansprechen: Denn er und der Vater sind auf das Allerengste verbunden!

Nein, das wissen wir nicht von Natur aus und das lernen wir auch nicht von selber und das bringt uns auch keine Not bei! Das muss Jesus uns sagen!

Wenn wir nicht als Kinder Gottes bei Jesus sprechen lernen, dann ist der Begriff „Gott“ nur eine Vokabel, die wir nicht verstehen oder gar ein „Platzhalter“ für einen selbsterdachten Götzen!  

 

Gott ist „unser Vater im Himmel“ – aber beten zum „himmlischen Vater“ kann nur einer, der weiß, dass er einen Vater im Himmel hat! Beten kann nur, wer seinem göttlichen Abba, seinem Papa, vertraut.

Der Weg zum Gottvertrauen führt immer über Jesus. Jesus und der Vater lassen sich nicht trennen!

 

Fassen wir zusammen: Nur durch Jesus hören wir die Stimme des göttlichen Vaters! Wir sehen den Abba nur, wenn wir die Brille Jesu aufsetzen! Nur wenn wir in Jesu Namen rufen, ist der Vater im Himmel ganz Ohr!

 

Nun mag jemand einwenden: ‚Schön und gut! Aber Jesus ist an Himmelfahrt zum Vater zurückgekehrt. Welchen Nutzen hat er da für uns? Zwischen Himmelfahrt und der Wiederkunft des Herrn sind wir Gott los – oder gottlos! Wie auch immer: Den Weg des Gottvertrauens lehrt er uns so nicht! Also können wir auch nicht in seinem Namen rufen: Abba, hilf uns!‘

 

Mein Lieber, kann ich da nur sagen – da irrst du dich aber gewaltig! An Pfingsten ist – wie Jesus das versprochen hat – der Geist der Wahrheit gekommen – brausend und mit Feuerzungen. Er ist der Tröster, den Gott uns schickt! Der Heilige  Geist ist ein Architekt von Gottes Gnaden: Er richtet in unserem Herzen eine Wohnung für Gott her – und der Vater und der Sohn ziehen bei uns ein! So werden wir im Gespräch mit Gott immer vertrauter und freier! „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über!“, sagt Jesus. Dein Herz voll ist von Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist – da wird doch wohl dein Mund mit ihm sprechen wollen und können!   

 

Wir können mit ihm sprechen: „wie die lieben Kinder mit ihrem lieben Vater“ (Martin Luther). Frei von der Leber weg! Ohne jedes Wort auf die Goldwaage zu legen! Auch mit halben Sätzen! Manchmal nur mit einer Geste – wir sagen schließlich durch einen Blick, eine Handbewegung, eine Grimasse jeden Tag jede Menge! Wir können sogar beim Gebet einschlafen – welchen Vater, der am Bettrand sitzt, stört es schon, wenn seinem Kind die Augen zufallen, während es noch redet?  

 

Kurz und gut: Keiner lernt sprechen, ohne zu hören – auch die Kinder Gottes nicht!

 

Nun hat „hören“ in unserer Sprache eine doppelte Bedeutung! „Hör auf deinen Vater!“, heißt nicht nur: ‚Lausche auf das, was er zu sagen hat,‘ sondern auch: ‚Tu, was er dir sagt!‘

Genauso meint es auch Jesus! Wer auf ihn hört, der weiß, dass Gott, unser lieber Vater, ist – und der weiß auch, was er möchte! Der weiß, wie Gott sich sein Leben vorstellt! Der wird sich deshalb bemühen, als liebes Kind seinem lieben Vater eine Freude zu machen!

Worte allein tun es nicht – selbst wenn es die zärtlichsten, schönsten und vertrauensvollsten Gebetsworte sind, die je ein Mund geredet hat! Wer Gott aus tiefstem Herzen seinen Vater nennt, der will auch so leben, wie es einem Gotteskind entspricht! „Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten“ – sagt Jesus.

Für Jesus gehören Gebet und Gehorsam zusammen. Gebet und Gehorsam sind zwei Äste desselben Baums – und ihre Wurzel ist das Hören auf sein Wort!

 

Kaum jemand hat das tiefer erfasst als der Benedikt von Nursia. Fast 1.400 Jahre ist seine Klosterregel alt und doch folgen ihr bis heute ungezählte katholische und anglikanische Mönche und Nonnen – und natürlich die lutherischen Schwestern auf dem Schwanberg.

Benedikt war ein großer Lehrer des Gebets – achtmal täglich soll im Kloster Gottesdienst gefeiert werden – und er war ein großer Lehrer des Gehorsams. Gehorsam bedeutet schlicht: Wir sollen das TUN, was wir GLAUBEN.  

Benedikt beginnt  seine Regel mit dem kurzen Wort: Höre! Höre! Und dann bete und tu, wie du gehört hast!  

 

Wenn du etwas Gutes beginnst, bestürme Gott beharrlich im Gebet, er möge es vollenden.

Dann muss er, der uns jetzt zu seinen Söhnen zählt, einst nicht über unser böses Tun traurig sein.

Weil er Gutes in uns wirkt, müssen wir ihm jederzeit gehorchen;

dann wird er uns einst nicht enterben wie ein erzürnter Vater seine Söhne …

Öffnen wir unsere Augen dem göttlichen Licht,

und hören wir mit aufgeschrecktem Ohr, wozu uns die Stimme Gottes täglich mahnt und aufruft:

„Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet euer Herz nicht!“

Und wiederum: „Wer Ohre hat zu hören, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“

Und was sagt er?

„Kommt, ihr Söhne, hört auf mich! Die Furcht des Herrn will ich euch lehren!“ …

Seht, in seiner Güte zeigt uns der Herr den Weg des Lebens.

 

Diese Worte Benedikts fassen unser heutiges Evangelium zusammen; sie sind darum nicht nur für Klosterleute wegweisend, sondern für alle Christen.  

 

Kurz und gut: Nicht die Not lehrt beten, sondern das Hören auf den himmlischen Vater! Und wer auf ihn hört – das ist ganz wie im „richtigen Leben“ -, der gehorcht ihm auch!

 

Jetzt sind wir doch sehr ernst geworden für so ein freudiges Thema! Darum soll am Ende ein Scherz stehen.

 

Gebet: Lieber Gott, bis jetzt geht‘s mir gut…
… Ich habe noch nicht getratscht, die Beherrschung verloren, war noch nicht muffelig, gehässig, egoistisch oder zügellos. Ich habe noch nicht gejammert, geklagt, geflucht oder Schokolade gegessen. Die Kreditkarte habe ich auch noch nicht belastet. Aber in etwa einer Minute werde ich aus dem Bett klettern und dann brauche ich wirklich deine Hilfe …