Schwestern und Brüder,
zwei gegensätzliche Typen: der Ja-Sager und der Nein-Sager.
Kennt Ihr diese Typen auch? Schaut Euch um in Eurem Bekanntenkreis, in der Familie, auf der Arbeit. Ihr werdet diese Typen entdecken:
Der Ja-Sager: Leicht begeisterbar, einer der mitzieht, auch selbst die Dinge in Hand nimmt, im Team aufblüht. Freilich: Oft ist der Ja-Sager auch unkritisch, denkt zu wenig nach, folgt naiv der Gruppe oder dem Chef. Trotzdem: Eine Gemeinschaft braucht die Ja-Sager, um nicht zu zerbröckeln.
Auf der anderen Seite der Nein-Sager: Immer erstmal auf Abwehr gegenüber allem Neuen, ein Querkopf, unangepasst, Individualist bis Einzelgänger. Freilich: Oft ist der Nein-Sager ein blitzgescheiter, kritischer Kopf, hat Welterfahrung gesammelt, folgt entschlossen seiner Überzeugung, egal was die anderen machen. Eben deshalb: Eine Gesellschaft braucht Nein-Sager, um nicht mit jeder Änderung des Windes umgeblasen zu werden.
Der Ja-Sager und der Nein-Sager: Dafür stehen im Neuen Testament die Apostel Petrus und Paulus, die Säulen, auf denen die Kirche ruht.
Petrus: der Ja-Sager. „Ja“ hat er gesagt, als die Frage nach der Hochzeit im Raum stand, hat geheiratet, ist Vater geworden, hat die Familie mit der Fischerei ernährt. Ein Leben wie alle anderen geführt.
„Ja“ hat er auch gesagt, als Jesus ihm zurief: „Verlasse Frau, Kinder und Boot und folge mir nach!“ Und so wandert er mit dem Herrn umher, wie die anderen Jünger.
„Ja, ich“ so ist er überzeugt, als sich die Frage erhebt, wer von den Jüngern zur Not mit Jesus sterben würde. Und das Evangelium ergänzt: „Desgleichen sagten alle Jünger.“
So ist er, unser Petrus: Sein „Ja“ ist schnell gesprochen und manchmal auch vorschnell: Ändert sich die Lage – es sei zum Guten oder zum Schlechten – dann ist das „Ja“ von gestern vergessen und ein anderes „Ja“ an seine Stelle getreten. Und Petrus ist nie allein: Er spricht das „Ja“ immer in der Gruppe, sagt, was alle um ihn herum sagen und denken.
Nur einmal sagt er „Nein“ – im Hof des Hohenpriesters. „Nein, ich kenne Jesus nicht“ – aber dieses „Nein“ bestätigt ihn als Ja-Sager, denn die, die dort am Feuer um ihn stehen, sagen alle „Nein“ zu Jesus.
Paulus dagegen: der Nein-Sager. „Nein“ hat er gesagt, als auch für ihn die Zeit kam, eine Frau zu nehmen. Er hat sich dagegen gewehrt, wie die anderen Verantwortung für Frau, Familie und Werkstatt zu übernehmen – er ist seinem eigenen Kopf gefolgt.
„Nein“ hat er auch gesagt, als die Jünger nach Pfingsten den Messias Jesus verkündigten – und hat sich mit Gewalt gewehrt.
„Nein“ so tritt er schließlich, Jahre nach seiner Bekehrung durch Jesus, dem Petrus in Antiochia entgegen, der nach seiner Überzeugung die Wahrheit des Evangeliums nicht rein gelehrt hat – und er weist ihn vor der ganzen Gemeinde scharf zurecht.
So ist er, unser Paulus: Zunächst einmal gilt immer das „Nein“ zum Neuem.
Ändert sich die Lage – es sei zum Guten oder zum Schlechten – dann hält Paulus trotzdem an seinem „Nein“ fest, wehrt sich mit Händen und Füßen, schlägt dabei wohl mehr als einmal den besseren Weg aus.
Nur einmal sagt er „Ja“ – auf dem Weg vor Damaskus als er den Herrn Jesus im strahlenden Licht sieht. „Ja, ich folge dir“ – und dieses „Ja“, das er kompromisslos bis zum Zeugentod durchhält, bestätigt ihn als Nein-Sager, denn er folgt seiner Überzeugung gegen die Masse der Heiden und Juden, und sogar gegen viele Mitchristen, die seine Radikalität nicht verstehen.
Schwestern und Brüder,
Petrus und Paulus, der Ja-Sager und der Nein-Sager bilden zusammen die Säulen der Kirche. Sie tragen Gottes Haus, sie tragen auch uns.
Sie zeigen uns, dass wir nicht aus eigener Einsicht und Kraft das „Ja“ zu Jesus Christus sprechen und durchhalten können.
Petrus spricht in der Nähe von Cäsarea Philippi das „Ja“ zu Christus, dem Sohn des lebendigen Gottes – und er spricht nicht nur für sich selbst, sondern für alle Jünger. Sie alle bekennen mit ihm: Jesus ist der Herr der Welt, der Herr auch meines Lebens. Aber dann, in der dunklen Stunde im Hof des Hohenpriesters kann er dieses „Ja“ nicht wiederholen und am nächsten Tag, als der Herr der Welt, der Herr seines Lebens am Kreuz leidet und stirbt, bleibt er der Richtstätte Golgatha fern. Er, der doch Jesus Treue geschworen hat. Er ist zusammengebrochen, er weiß nicht mehr ein noch aus. Erst als ihm der auferstandene Jesus an Ostern erscheint, kehrt er um und spricht dreimal – einmal für jede Verleugnung: „Nein, ich kenne ihn nicht!“ – sein Bekenntnis: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe!“
Paulus dagegen wehrt sich heftig gegen ein „Ja“ zu Jesus. Er verfolgt die Christen, er wirkt mit an der Hinrichtung des Stephanus in Jerusalem, er bricht auf nach Damaskus, um die Jesusgläubigen in den Synagogen zu bekämpfen und ins Gefängnis zu werfen. Bis ihm Jesus, der Herr, im hellen Licht vom Himmel her erscheint und den Widerstand des Paulus bricht und er von Herzen „Ja“ zu Jesus sagt.
An beiden, am Ja-Sager Petrus und am Nein-Sager Paulus wird deutlich: Es ist nicht Fleisch und Blut das Jesus erkennt und Kraft hat, ihm das ganze Leben hindurch zu folgen. Es ist Gott, der Menschen zu Christen macht. Es ist Gott, der Menschen dazu bringt, nicht auf sich selbst, sondern auf ihn zu vertrauen. Es ist Gott, der unser „Nein“ – es sei aus Schwäche und Anpassung gesprochen oder aus Selbstvertrauen und Abwehr des Neuen – in ein „Ja“ umwandelt. Petrus und Paulus und wir alle, kommen nicht anders zu Jesus, als dadurch, dass der Heilige Geist unser „Ja“ wirkt.
Schwestern und Brüder,
Petrus und Paulus tragen als Säulen die Kirche und sie tragen uns. Wir brauchen sie beide, diese einzigartigen Apostelfürsten, ihr wahres, von Gottes Geist gewirktes und beglaubigtes Zeugnis von Christus, das Vorbild ihres missionarischen Einsatzes, ihre Briefe im Neuen Testament.
Aber wir brauchen nicht nur die Apostel Petrus und Paulus, wir brauchen auch die Typen, die sie verkörpern, den Ja-Sager und den Nein-Sager, wir brauchen sie heute, denn Petrus und Paulus sind nicht nur als geschichtliche Personen, sondern auch als übergeschichtliche Typen Säulen der Kirche.
In welchem dieser beiden Typen findet Ihr Euch wieder? Bist Du eher der Petrus- oder der Paulus-Typ, der Ja- oder der Nein-Sager? Denn, Schwestern und Brüder, so schlicht das Schema wirkt, wir alle stehen entweder mehr auf der einen oder auf der anderen Seite – nicht nur unsere Kinder, Freunde und Kollegen passen in dieses Raster, sondern auch wir selbst.
1. Beide Typen unterscheiden sich oft in ihrem Glaubensweg. Der Petrustyp nimmt den Glauben eher im Elternhaus an, wächst in ihn hinein – ohne große Erschütterung. Den Konfirmandenunterricht besucht er mit Interesse, aber auch ein bisschen mit gepflegter Langeweile, spricht dann aber in der Konfirmation sein „Ja“ mit Stolz.
Wichtig bleibt ihm, wie die Freunde zur Kirche stehen. Leere Kirchenbänke machen ihn unsicher. Andererseits ist er zuverlässig an den Festtagen im Gottesdienst, lässt die eigenen Kinder taufen, kümmert sich ums Abendgebet. Viel unaufgeregte, selbstverständliche und nüchterne Frömmigkeit in der Kirche verdankt sich dem Petrustyp, der die Kirche stabil erhält. Und immer mal wieder gibt es die Momente, wo ihm die Tränen der religiösen Ergriffenheit in den Augen stehen – Momente, von denen er noch lange zehren kann.
Der Paulustyp ist der kritische, der widerständige Geist. Spätestens mit der Pubertät beginnt er offensiv alles zu hinterfragen. Er sucht seinen eigenen Weg. Nicht nur ein bisschen, sondern ganz und gar. So wie es der Dichter Kazantzakis beschrieben hat: „Meine Hand hielt eine Scheibe Brot und meine Faust ein paar Oliven, indes ich hungernd zu essen vergaß. Denn ich suchte Gott.“ Religiöse Eltern haben es mit dem Paulustyp oft nicht leicht. Er stellt den Glauben in Frage, er stellt das Leben der Eltern in Frage, ja, er stellt sogar in Frage, ob sie überhaupt glauben. Und er sucht selbst kompromisslos. Wenn er sich vom Glauben abkehrt, dann tut er das ganz: „Was soll ich in der Kirche – das stimmt ja doch alles nicht!“ Wenn er sich zum Glauben bekennt, dann tut er das ebenfalls ganz: „Ein halber Christ ist ein ganzer Unsinn!“ Viel religiöse Leidenschaft, viel theologische Erkenntnis, viel Missionseifer, viel Leidensbereitschaft im Dienst Gottes verdankt sich dem Paulustyp, der die Kirche dynamisch erhält. Und immer wieder lässt sein Feuer die Kirche brennen.
2. Der Petrustyp hält nach außen die Kirche in der Mitte der Gesellschaft. Es gibt keine Volkskirche ohne den Petrustyp. Der sich in die eigene Zeit einfühlt, der sich in ihr auch wohl fühlt. Der nach Kompromissen sucht und auch die, die am Rand stehen, einbindet.
Der Paulustyp verhindert dagegen, dass die Kirche in dieser Zeit und Welt aufgeht. Dass die Volkskirche zu einem Anhängsel staatlicher Behörden verkommt. Dass sie sich auf der Suche nach Mehrheiten oder zumindest nach großen Minderheiten der vorherrschenden Stimmung anbiedert.
3. Der Petrustyp kann nach innen den Geist einer Gruppe aussprechen, bevor überhaupt ein Gespräch stattgefunden hat. Sensibel, mit fast seismographischer Genauigkeit, erfasst er, was die meisten empfinden und denken. Ohne den Petrustyp funktioniert weder die Kirche im Großen, noch die einzelne Gemeinde im Kleinen. Sie würde sich zersplittern und in einzelne Kleinstgruppen zerfallen, die wiederum nach innen und außen im Streit miteinander liegen würden.
Der Paulustyp sorgt für Vertiefung des Nachdenkens, er deckt faule Kompromisse schonungslos auf. Er lässt nicht zu, dass der Einzelne durch die Gruppe mundtot gemacht wird. Er bringt – neben dem Geist der Gemeinschaft – die Stimme des Gewissens zum Klingen. Wo der Petrustyp die Weite der Kirche ermöglicht, ist der Paulustyp für ihre Tiefe zuständig.
Schwestern und Brüder,
Kirche ruht auf beiden Säulen, dem Petrus- und dem Paulustyp, dem Ja- und dem Nein-Sager. Nur wo beide zu ihrem Recht kommen, bleibt die Kirche in der Waage.
Das verlangt zu jeder Zeit und auch heute den Willen zum Ausgleich einerseits und dem Willen zum Streit andererseits. Das war nie einfach – für Petrus und Paulus nicht und für uns auch nicht.
Aber gerade deshalb stellt uns das Evangelium, stellt uns die Kirchengeschichte, stellt uns der Feiertag beide Apostel ebenbürtig vor Augen – weil wir sie als Personen und als Typen gleichermaßen brauchen. Wir müssen nicht nur die historische Erinnerung an Petrus und Paulus pflegen – wir brauchen beide Typen auch heute im Kirchenvorstand und im Landeskirchenrat.
Nur wenn beide Säulen gleich hoch sind, steht das Haus Gottes fest: die eine heilige allgemeine und apostolische Kirche. Amen.
Schwestern und Brüder,
zwei gegensätzliche Typen: der Ja-Sager und der Nein-Sager.
Kennt Ihr diese Typen auch? Schaut Euch um in Eurem Bekanntenkreis, in der Familie, auf der Arbeit. Ihr werdet diese Typen entdecken:
Der Ja-Sager: Leicht begeisterbar, einer der mitzieht, auch selbst die Dinge in Hand nimmt, im Team aufblüht. Freilich: Oft ist der Ja-Sager auch unkritisch, denkt zu wenig nach, folgt naiv der Gruppe oder dem Chef. Trotzdem: Eine Gemeinschaft braucht die Ja-Sager, um nicht zu zerbröckeln.
Auf der anderen Seite der Nein-Sager: Immer erstmal auf Abwehr gegenüber allem Neuen, ein Querkopf, unangepasst, Individualist bis Einzelgänger. Freilich: Oft ist der Nein-Sager ein blitzgescheiter, kritischer Kopf, hat Welterfahrung gesammelt, folgt entschlossen seiner Überzeugung, egal was die anderen machen. Eben deshalb: Eine Gesellschaft braucht Nein-Sager, um nicht mit jeder Änderung des Windes umgeblasen zu werden.
Der Ja-Sager und der Nein-Sager: Dafür stehen im Neuen Testament die Apostel Petrus und Paulus, die Säulen, auf denen die Kirche ruht.
Petrus: der Ja-Sager. „Ja“ hat er gesagt, als die Frage nach der Hochzeit im Raum stand, hat geheiratet, ist Vater geworden, hat die Familie mit der Fischerei ernährt. Ein Leben wie alle anderen geführt.
„Ja“ hat er auch gesagt, als Jesus ihm zurief: „Verlasse Frau, Kinder und Boot und folge mir nach!“ Und so wandert er mit dem Herrn umher, wie die anderen Jünger.
„Ja, ich“ so ist er überzeugt, als sich die Frage erhebt, wer von den Jüngern zur Not mit Jesus sterben würde. Und das Evangelium ergänzt: „Desgleichen sagten alle Jünger.“
So ist er, unser Petrus: Sein „Ja“ ist schnell gesprochen und manchmal auch vorschnell: Ändert sich die Lage – es sei zum Guten oder zum Schlechten – dann ist das „Ja“ von gestern vergessen und ein anderes „Ja“ an seine Stelle getreten. Und Petrus ist nie allein: Er spricht das „Ja“ immer in der Gruppe, sagt, was alle um ihn herum sagen und denken.
Nur einmal sagt er „Nein“ – im Hof des Hohenpriesters. „Nein, ich kenne Jesus nicht“ – aber dieses „Nein“ bestätigt ihn als Ja-Sager, denn die, die dort am Feuer um ihn stehen, sagen alle „Nein“ zu Jesus.
Paulus dagegen: der Nein-Sager. „Nein“ hat er gesagt, als auch für ihn die Zeit kam, eine Frau zu nehmen. Er hat sich dagegen gewehrt, wie die anderen Verantwortung für Frau, Familie und Werkstatt zu übernehmen – er ist seinem eigenen Kopf gefolgt.
„Nein“ hat er auch gesagt, als die Jünger nach Pfingsten den Messias Jesus verkündigten – und hat sich mit Gewalt gewehrt.
„Nein“ so tritt er schließlich, Jahre nach seiner Bekehrung durch Jesus, dem Petrus in Antiochia entgegen, der nach seiner Überzeugung die Wahrheit des Evangeliums nicht rein gelehrt hat – und er weist ihn vor der ganzen Gemeinde scharf zurecht.
So ist er, unser Paulus: Zunächst einmal gilt immer das „Nein“ zum Neuem.
Ändert sich die Lage – es sei zum Guten oder zum Schlechten – dann hält Paulus trotzdem an seinem „Nein“ fest, wehrt sich mit Händen und Füßen, schlägt dabei wohl mehr als einmal den besseren Weg aus.
Nur einmal sagt er „Ja“ – auf dem Weg vor Damaskus als er den Herrn Jesus im strahlenden Licht sieht. „Ja, ich folge dir“ – und dieses „Ja“, das er kompromisslos bis zum Zeugentod durchhält, bestätigt ihn als Nein-Sager, denn er folgt seiner Überzeugung gegen die Masse der Heiden und Juden, und sogar gegen viele Mitchristen, die seine Radikalität nicht verstehen.
Schwestern und Brüder,
Petrus und Paulus, der Ja-Sager und der Nein-Sager bilden zusammen die Säulen der Kirche. Sie tragen Gottes Haus, sie tragen auch uns.
Sie zeigen uns, dass wir nicht aus eigener Einsicht und Kraft das „Ja“ zu Jesus Christus sprechen und durchhalten können.
Petrus spricht in der Nähe von Cäsarea Philippi das „Ja“ zu Christus, dem Sohn des lebendigen Gottes – und er spricht nicht nur für sich selbst, sondern für alle Jünger. Sie alle bekennen mit ihm: Jesus ist der Herr der Welt, der Herr auch meines Lebens. Aber dann, in der dunklen Stunde im Hof des Hohenpriesters kann er dieses „Ja“ nicht wiederholen und am nächsten Tag, als der Herr der Welt, der Herr seines Lebens am Kreuz leidet und stirbt, bleibt er der Richtstätte Golgatha fern. Er, der doch Jesus Treue geschworen hat. Er ist zusammengebrochen, er weiß nicht mehr ein noch aus. Erst als ihm der auferstandene Jesus an Ostern erscheint, kehrt er um und spricht dreimal – einmal für jede Verleugnung: „Nein, ich kenne ihn nicht!“ – sein Bekenntnis: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe!“
Paulus dagegen wehrt sich heftig gegen ein „Ja“ zu Jesus. Er verfolgt die Christen, er wirkt mit an der Hinrichtung des Stephanus in Jerusalem, er bricht auf nach Damaskus, um die Jesusgläubigen in den Synagogen zu bekämpfen und ins Gefängnis zu werfen. Bis ihm Jesus, der Herr, im hellen Licht vom Himmel her erscheint und den Widerstand des Paulus bricht und er von Herzen „Ja“ zu Jesus sagt.
An beiden, am Ja-Sager Petrus und am Nein-Sager Paulus wird deutlich: Es ist nicht Fleisch und Blut das Jesus erkennt und Kraft hat, ihm das ganze Leben hindurch zu folgen. Es ist Gott, der Menschen zu Christen macht. Es ist Gott, der Menschen dazu bringt, nicht auf sich selbst, sondern auf ihn zu vertrauen. Es ist Gott, der unser „Nein“ – es sei aus Schwäche und Anpassung gesprochen oder aus Selbstvertrauen und Abwehr des Neuen – in ein „Ja“ umwandelt. Petrus und Paulus und wir alle, kommen nicht anders zu Jesus, als dadurch, dass der Heilige Geist unser „Ja“ wirkt.
Schwestern und Brüder,
Petrus und Paulus tragen als Säulen die Kirche und sie tragen uns. Wir brauchen sie beide, diese einzigartigen Apostelfürsten, ihr wahres, von Gottes Geist gewirktes und beglaubigtes Zeugnis von Christus, das Vorbild ihres missionarischen Einsatzes, ihre Briefe im Neuen Testament.
Aber wir brauchen nicht nur die Apostel Petrus und Paulus, wir brauchen auch die Typen, die sie verkörpern, den Ja-Sager und den Nein-Sager, wir brauchen sie heute, denn Petrus und Paulus sind nicht nur als geschichtliche Personen, sondern auch als übergeschichtliche Typen Säulen der Kirche.
In welchem dieser beiden Typen findet Ihr Euch wieder? Bist Du eher der Petrus- oder der Paulus-Typ, der Ja- oder der Nein-Sager? Denn, Schwestern und Brüder, so schlicht das Schema wirkt, wir alle stehen entweder mehr auf der einen oder auf der anderen Seite – nicht nur unsere Kinder, Freunde und Kollegen passen in dieses Raster, sondern auch wir selbst.
1. Beide Typen unterscheiden sich oft in ihrem Glaubensweg. Der Petrustyp nimmt den Glauben eher im Elternhaus an, wächst in ihn hinein – ohne große Erschütterung. Den Konfirmandenunterricht besucht er mit Interesse, aber auch ein bisschen mit gepflegter Langeweile, spricht dann aber in der Konfirmation sein „Ja“ mit Stolz.
Wichtig bleibt ihm, wie die Freunde zur Kirche stehen. Leere Kirchenbänke machen ihn unsicher. Andererseits ist er zuverlässig an den Festtagen im Gottesdienst, lässt die eigenen Kinder taufen, kümmert sich ums Abendgebet. Viel unaufgeregte, selbstverständliche und nüchterne Frömmigkeit in der Kirche verdankt sich dem Petrustyp, der die Kirche stabil erhält. Und immer mal wieder gibt es die Momente, wo ihm die Tränen der religiösen Ergriffenheit in den Augen stehen – Momente, von denen er noch lange zehren kann.
Der Paulustyp ist der kritische, der widerständige Geist. Spätestens mit der Pubertät beginnt er offensiv alles zu hinterfragen. Er sucht seinen eigenen Weg. Nicht nur ein bisschen, sondern ganz und gar. So wie es der Dichter Kazantzakis beschrieben hat: „Meine Hand hielt eine Scheibe Brot und meine Faust ein paar Oliven, indes ich hungernd zu essen vergaß. Denn ich suchte Gott.“ Religiöse Eltern haben es mit dem Paulustyp oft nicht leicht. Er stellt den Glauben in Frage, er stellt das Leben der Eltern in Frage, ja, er stellt sogar in Frage, ob sie überhaupt glauben. Und er sucht selbst kompromisslos. Wenn er sich vom Glauben abkehrt, dann tut er das ganz: „Was soll ich in der Kirche – das stimmt ja doch alles nicht!“ Wenn er sich zum Glauben bekennt, dann tut er das ebenfalls ganz: „Ein halber Christ ist ein ganzer Unsinn!“ Viel religiöse Leidenschaft, viel theologische Erkenntnis, viel Missionseifer, viel Leidensbereitschaft im Dienst Gottes verdankt sich dem Paulustyp, der die Kirche dynamisch erhält. Und immer wieder lässt sein Feuer die Kirche brennen.
2. Der Petrustyp hält nach außen die Kirche in der Mitte der Gesellschaft. Es gibt keine Volkskirche ohne den Petrustyp. Der sich in die eigene Zeit einfühlt, der sich in ihr auch wohl fühlt. Der nach Kompromissen sucht und auch die, die am Rand stehen, einbindet.
Der Paulustyp verhindert dagegen, dass die Kirche in dieser Zeit und Welt aufgeht. Dass die Volkskirche zu einem Anhängsel staatlicher Behörden verkommt. Dass sie sich auf der Suche nach Mehrheiten oder zumindest nach großen Minderheiten der vorherrschenden Stimmung anbiedert.
3. Der Petrustyp kann nach innen den Geist einer Gruppe aussprechen, bevor überhaupt ein Gespräch stattgefunden hat. Sensibel, mit fast seismographischer Genauigkeit, erfasst er, was die meisten empfinden und denken. Ohne den Petrustyp funktioniert weder die Kirche im Großen, noch die einzelne Gemeinde im Kleinen. Sie würde sich zersplittern und in einzelne Kleinstgruppen zerfallen, die wiederum nach innen und außen im Streit miteinander liegen würden.
Der Paulustyp sorgt für Vertiefung des Nachdenkens, er deckt faule Kompromisse schonungslos auf. Er lässt nicht zu, dass der Einzelne durch die Gruppe mundtot gemacht wird. Er bringt – neben dem Geist der Gemeinschaft – die Stimme des Gewissens zum Klingen. Wo der Petrustyp die Weite der Kirche ermöglicht, ist der Paulustyp für ihre Tiefe zuständig.
Schwestern und Brüder,
Kirche ruht auf beiden Säulen, dem Petrus- und dem Paulustyp, dem Ja- und dem Nein-Sager. Nur wo beide zu ihrem Recht kommen, bleibt die Kirche in der Waage.
Das verlangt zu jeder Zeit und auch heute den Willen zum Ausgleich einerseits und dem Willen zum Streit andererseits. Das war nie einfach – für Petrus und Paulus nicht und für uns auch nicht.
Aber gerade deshalb stellt uns das Evangelium, stellt uns die Kirchengeschichte, stellt uns der Feiertag beide Apostel ebenbürtig vor Augen – weil wir sie als Personen und als Typen gleichermaßen brauchen. Wir müssen nicht nur die historische Erinnerung an Petrus und Paulus pflegen – wir brauchen beide Typen auch heute im Kirchenvorstand und im Landeskirchenrat.
Nur wenn beide Säulen gleich hoch sind, steht das Haus Gottes fest: die eine heilige allgemeine und apostolische Kirche. Amen.
Text Martin Fromm