In der bis auf den letzten Platz gefüllten lutherischen Gnadenkirche in Wiesentheid erlebten die Gläubigen einen Gottesdienst von ganz besonderer Art: Dies begann mit der Kirchenmusik, die von der Kantorei Gnadenkirche eindrucksvoll vorgetragen wurde, ging weiter über eine faszinierende Predigt und reichte bis zu der – für deutsche Verhältnisse – außergewöhnlichen Länge des Gottesdienstes. In Tansania, so merkte man, gehört der Sonntag der Kirche – der ausgiebigen Feier des Glaubens im Gottesdienst, aber auch der anschließenden Begegnung der Gläubigen miteinander.
Und so war mehr als ein Hauch von Tansania spürbar, als am Johannistag, dem 24.06.2017, der Bischof Jacob Mameo ole Paulo von der Morogoro-Diözese der Massai in Wiesentheid die Predigt hielt. Bischof Mameo rief die Christen in Deutschland dazu auf, ihren Glauben nicht zu verstecken oder zu verschweigen, sondern ihn offen und frei zu bekennen. „In Tansania grüßen Christen jeden, den sie treffen, Mitchristen, aber auch Muslime und Anhänger von Naturreligionen, mit den Worten: „Gelobt sei Jesus Christus!“ Sie bekennen so ihren Glauben. Und auch die, die das Christentum ablehnen, erfahren: „Wir haben es mit einem Christen zu tun“, so der Bischof. Er freute sich, nachdem er in vielen fast leeren Kirchen gesprochen hatte, über die große versammelte Gemeinde und über die gläubige Atmosphäre im Gotteshaus. „Vielleicht ist hier unter Euch ein neuer Martin Luther, der die Kirche in Deutschland reformieren wird“ – so ermutigte er die Gläubigen, im Vertrauen auf Gott auch weiterhin entschlossen den Weg des Evangeliums zu gehen.
Obwohl der Bischof fast eine Stunde predigte – seine Übersetzerin, Frau Hausdörfer, leistete großartige Arbeit – erlebten die Teilnehmer den Gottesdienst nicht als lang – wirkte er doch durch die Lebendigkeit, Fröhlichkeit und glaubensstärkende Ausstrahlung des tansanischen Gastes viel kürzer. Die Bannerabordnung des Pfadfinderstammes „Löwe von Schönborn“, die den Gottesdienst mit ihren Fahnen stehend verbrachte, wurde trotzdem allgemein sehr bewundert und vom Bischof als „Helden“ bezeichnet. Prädikant Andreas Späth, Vorsitzender der Kirchlichen Sammlung um Bibel und Bekenntnis, der Bischof Mameo nach Deutschland eingeladen hatte und die Reise mit den vielen Gemeindebesuchen organisiert hatte, wirkte an diesem außergewöhnlichen Gottesdienst mit. Pfarrer Martin Fromm dankte Jacob Mameo für seine leidenschaftliche Verkündigung – und der Gemeinde für ihre Opferwilligkeit: Mehr als 1.600,- Euro Spenden konnten Bischof Mameo für seine Arbeit übergeben werden. Im Anschluss an den Gottesdienst ging es zum Johannisfeuer am Mehrgenerationenplatz, wo 1. Bürgermeister Dr. Werner Knaier den weitgereisten Gast herzlich willkommen hieß. Bischof Mameo zeigte sich nicht nur durch die Tradition des Johannisfeuers beeindruckt, er staunte vor allem darüber, dass in Wiesentheid noch so viele Menschen aller Altersgruppen zu einer fröhlichen Feier zusammenkommen: „Das hatte ich bei dem Individualismus in Deutschland nicht erwartet“, sagte er.
Bericht und Fotos: Martin Fromm