Predigt in Wiesentheid

Der 27. Januar, der Tag der Befreiung des Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau im Jahr 1945, ist der Internationale Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Die evangelisch-lutherische Kirche hat seit kurzem eine eigene Ordnung, um den Gedenktag im Gottesdienst zu begehen. Die Kirchengemeinden Wiesentheid und Rüdenhausen, in denen erstmals Gottesdienste zur Erinnerung an die Holocaustopfer standfanden, hatten Pastor Dr. Nikolaj Krasnikov als Gastprediger eingeladen.

Dr. Krasnikov ist Leiter der messianisch-jüdischen Gemeinde Beit Chesed Adonaj (Haus der Gnade Gottes) in Nürnberg. Messianische Juden sind Juden, die an Jesus als den Messias Israels glauben – in den letzten Jahrzehnten hat ihre Zahl weltweit stark zugenommen. Allerdings tun sich viele jüdische Synagogengemeinden und christliche Kirchen schwer mit den messianischen Juden, die gewissermaßen die Schnittmenge zwischen beiden darstellen.
Die Gottesdienste in Wiesentheid und Rüdenhausen waren nicht nur dem Gedenken an die Opfer der Schoah gewidmet, sie waren auch eine klare Stellungnahme gegen den neuerlich erstarkenden  Antisemitismus in Deutschland und ein Zeichen der besonderen Verbundenheit mit den jesusgläubigen Geschwistern aus dem Volk Israel. Dr. Krasnikov begann seine Predigt mit einem autobiographischen Bericht: Bei einem Besuch in Auschwitz sei ihm bewusst geworden: „Es ist nicht selbstverständlich, am Leben zu sein. Es ist ein Privileg! Es ist eine besondere Gnade Gottes!“ Dieses Erlebnis sei für ihn wie eine „neue Geburt“ gewesen. In seiner Predigt stellte Pastor Krasnikov den „griechischen Weg“ des Glaubens an die Vernunft und die Autonomie des Menschen, dem jüdischen Weg des Gehorsams gegenüber Gott und seinem Gesetz entgegen. An der griechischen Zeit Israels – nach der Eroberung durch Alexander den Großen und unter seinen Nachfolgern – zeigte er die Verführungskraft des Vernunftglaubens auf, dem sich damals ungezählte Juden voller Faszination angeschlossen hatten. Sie verließen Gott, den Glauben der Väter und das Gesetz, um scheinbar frei und nach eigenen Vorstellungen zu leben. Aber damals – und bis in die Gegenwart hinein – richtet sich der Vernunftglaube bald schnell und rücksichtslos gegen die, die an ihrer Treue zur göttlichen Weisung festhalten. Eine brutale Unterdrückung des Judentums, die viele Märtyrer hervorbrachte, war die Folge – bis die Makkabäer sich erhoben, den Tempel von den feindlichen Besatzern zurückgewannen und die jüdische Gemeinschaft erneuerten. Dr. Krasnikov  forderte die Gemeinden auf, auch heute mit Jesus den Weg des Gehorsams zu gehen, der ein Weg des Lebens ist. Die Gottesdienste am 27.01.2019 waren  eindrucksvoll und bewegend; sie blieben nicht bei dem Blick in die Geschichte stehen, sondern schenkten für die Gegenwart und für die Zukunft Orientierung aus Gottes Wort. Zur Vertiefung des Gottesdienstes und zur Besinnung der Gläubigen
in Wiesentheid trug die anrührende musikalische Gestaltung durch das Flötenensemble „Rondo“ bei.

Dr. Krasnikov und Pfr. Fromm in Rüdenhausen
Flöten-Ensemble „Rondo“

Gottesdienst zum Holocaust-Gedenktag mit Dr. Nikolaj Krasnikov

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